Das ist das zweite Buch, was mir der TYROLIA-Verlag, nach eigenen Angaben der wichtigste österreichische Verleger für Religion und Theologie, zur Verfügung gestellt hat, auch dieses rezensiere ich gerne. Ich habe länger gebraucht, weil ich immer wieder reinlesen musste, immer wieder das Büchlein aufgeschlagen habe, gelesen, es weggelegt, wieder gelesen… eine ganze Weile. Hinzu kam die fortschreitende Demenz meines Vaters, die mich wirklich sehr eingebunden hat. Dazu habe ich mir gestern „The Father“ mit Anthony Hopins angeschaut. Ein großartiger Film, aber dazu später mehr.

Jetzt geht es um das Büchlein „Bei Zeiten“ von Wilhelm Bruners, einem römisch-katholischen Theologen. Ich tu’ mich schwer mit der katholischen Kirche, die Dogmen, die Skandale, die mangelnde Aufarbeitung und vor allem das Starre der Lehre, oder vielleicht sollte ich besser sagen das Erstarrte, es stößt mich ab. Aber ich weiß, dass die „Amtskirche“ etwas anderes ist als die „Gemeindekirche“, also die Kirche vor Ort. Mit dazu beigetragen hat ein katholischer Priester in meiner Jugend. Das ist nun 50 Jahre her, ich war evangelisch, aber seine Jugendarbeit war damals schon ökumenisch. Über alle Glaubensgrenzen hinweg engagierte er sich für die Jugendlichen in unserem Dorf. Widersprüche der katholischen Glaubenslehre zum aktiven Leben kommentierte er lapidar mit „Rom ist weit“ und so befürwortete er zu der Zeit schon die Pille für Mädchen. Eine ungewollte Schwangerschaft fand er weitaus schlimmer als die damals noch von der Amtskirche abgelehnte Verhütung. Er schüttelte auch den Kopf über die Forderung, Sex dürfe es nur in der Ehe geben, das Leben sei anders als das, was „die sich da in Rom ausdenken“ und damit war für ihn die Sache erledigt. Er hat mein Bild von Glauben geprägt. Es geht nicht um menschengemachte (und oft unsinnige) Vorstellungen, es geht um den inneren Glauben, um den Weg, den wir hier auf der Erde gehen. Und um die Bedeutung dessen, was uns passiert.

Das Gleiche Gefühl wie damals hatte ich beim immer wieder reinlesen in dieses Büchlein. Da ist einer, der nicht belehren will, der nicht vorschreibt, was richtig, was falsch ist. Der Zweifel zulässt und in diesem Zweifeln Wege aufzeigt, die möglich sind.

Für theologisch interessierte Menschen ist das Bändchen eine Bereicherung, dabei kommt es nicht auf die Glaubensrichtung an, sondern auf das Leben an sich, warum sind wir hier, warum ist alles so, wie es ist, oder ist es vielleicht doch anders? Fragen zulassen, Zweifel annehmen. Darum geht es. Als Theologe sieht Wilhelm Bruners es theologisch, aber man kann es auch ganz anders sehen, aus dem Leben. Ich möchte mit dem Text auf der Rückseite des Büchleins schließen, das Gedicht hat mich am meisten berührt:

mit allem was du tragen kannst
von deiner kleinen geschichte
der großen dir noch unbekannten
mit prägungen und verwundungen
hohen gadanken ganz niedrigen
mit und ohne tarnkappe

geh aufrecht deinen weg
im horizont des ewigen
begleitet udn manchmal allein
keiner geht ihn für dich
ohne dich schaffst du ihn nicht
vollendung ist kein ziel
in dieser durch trübes verschatteten welt
behalt deinen hunger nach licht
das dir von weither ganz nah

als heiliges entgegenleuchtet

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