Mein virtueller Weihnachtskalender fand doch einigen Zuspruch, was mich sehr gefreut hat. Heute nun möchte ich ein wenig zitieren, nämlich aus dem 1. Beitrag, wo es um Krokodile geht. Eigentlich. Uneigentlich geht es um den Unterschied von Kulturen, in diesem Fall zwei Kulturen, die unterschiedlicher nicht sein können.

Wer kennt den Film „Dschungelkind“? Dort wird die (im Großen und Ganzen wahre) Geschichte von Sabine Kuegler erzählt, deren Vater mit seiner Familie 1979  in den Dschungel von Westneuguinea zieht, um dort als Linguist die Sprache und Gebräuche des neu entdeckten Stammes der Fayu zu studieren. Eine gänzlich andere Kultur, weit weg von Weihnachtsbaum und Lametta.

Der Film ist sehenswert, wenn er auch nicht ganz stimmt und einige wenige Szenen enthält, die es nie gegeben hat, er quasi ein wenig verwestlicht wurde, doch er vermittelt überzeugend, wie komplett gegensätzlich Kulturen sein können. Ich habe mich damit beschäftigt, einfach weil ich es spannend fand. Das Leben von Sabine Kuegler ist außergewöhnlich, mit Höhen und Tiefen. Und es zeigt, was Kultur bedeutet. In einem selber drin, meine ich jetzt, was macht das mit uns, so zu leben, wie wir es tun? Die einen feiern das Zuckerfest, die anderen Weihnachten und wieder andere verehren Kühe als heilig.

Die Faju leben ganz anders als wir. Für sie ist die Gemeinschaft wichtig, der einzelne nicht. Nur als Gemeinschaft kann man im Dschungel überleben, der einzelne kommt um. Im Dschungel hat Sabine Kuegler gelernt, unsichtbar zu werden, um zu überleben – in der westlichen Welt dagegen muss man sichtbar sein. Das zu verstehen, diesen eklatanten Unterschied in den Kulturen, wie kann man das?

Ich habe hier einige interessante Links:

-> ein Artikel in der annabelle: Das Dschungelkind – Im richtigen Film
annabelle eine 1938 gegründete Frauenzeitschrift aus der Schweiz

-> Leseprobe in der Freitag: Von außen und innen: Unsere Zivilisation
auf der Seite sind einige Links zu Interviews und Filmen
der Freitag ist eine 1990 gegründete überregionale deutsche Wochenzeitung

-> Film mit Sabine Kuegler beim SWR1: Aus dem Urwald in die Zivilisation

-> Interview mit Sabine Kuegler im rnD: „Meine Kinder halten mich in der westlichen Welt“
rnD ist das 2013 gegründete Redaktionsnetwerk Deutschland

Es ist interessant, Sabine Kuegler zuzuhören, einer Frau, die in zwei komplett anderen Kulturen lebt bzw. gelebt hat. Und natürlich war ihre Rückkehr in die westliche Welt von vielen Schwierigkeiten begleitet, die zeit- und teilweise unüberwindbar erschienen. Aber irgendwann hat sie etwas begriffen, wie das neue Leben hier im Westen gelingen kann. Sie sagt es so: wenn man etwas versteht, dann kann man den Prozess anfangen, sich zu integrieren.

Und genau da kommen die Krokodile ins Spiel, es geht um eine Begebenheit aus ihrer Kindheit. Sie war mit ihren Eltern und einigen Faju in Booten unterwegs und dann sind sie wie so oft, schwimmen gegangen. Doch die Faju blieben in den Booten, was sie irritierte. Der Vater fragte dann hinterher, warum sie nicht auch geschwommen seien und bekam zur Antwort, weil dort die Stelle sei, wo die Kokodile sind. Warum sie das denn nicht gesagt hätten. Nun kommt der Satz, auf den es ankommt: Aber das weiß doch jeder!

Das sei ein Satz, den sie hier im Westen schon so oft gehört habe, wenn sie nicht gewusste habe, was sie denn nun tun oder denken müsse, wie sie sich denn nun verhalten müsse, was von ihr erwartet werde. Aber das weiß doch jeder! Sie hat dann gelernt, die Stellen zu meiden, wo im übertragenen Sinne die Krokodile schwimmen. Und seit sie das kann, kann sie hier auch „einfacher“ leben.

Anders ausgedrückt: wenn man in einer fremden Kultur überleben will, dann muss man wissen, wo die Krokodile schwimmen. Aber das weiß doch jeder 😉

Ich habe meiner Schwester das neue Buch von Sabine Kuegler zu Weihnachten geschenkt: „Ich schwimme nicht mehr da, wo die Krokodile sind – Zerrissen zwischen den Kulturen“, denn sie lebt auch in zwei Kulturen, wenn auch nicht so gänzlich unterschiedlichen wie die Fayu und die übrige Welt.

Das Buch jedenfalls ist zu empfehlen!

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